Eine Stimme, alt und atemlos
Ella Naujokat kauerte sich seufzend vor ihrem Dauerbrenner nieder und rüttelte am Rost; sie öffnete die Ofenklappe, sah die matte Glut und griff, während sie sich wieder aufrichtete, zur Kohlenschütte, stand unschlüssig, lächelte dann und kippte die Kohlen auf die Glut. „Ich kann es mir ja diesmal leisten. An diesem Heiligen Abend will ich es mal warm haben, rundherum warm!“ sagte sie und prüfte noch mal den Zustand ihres Zimmers: das Bett in der Ecke war sehr sorgfältig gemacht, unter der Spreite wusste sie Decke und Kissen frisch
überzogen; der abgetretene Teppich machte einen vorzüglichen Eindruck, nachdem sie ihn gründlich mit Waschlauge gereinigt hatte; auf dem ovalen Mahagonitisch stand der zierliche Weihnachtsbaum, geschmückt mit Lametta, zwei Kugeln und fünf roten Kerzen. „Tadellos, alles tadellos…“ sagte Ella Naujokat, setzte sich in den grünen hochbeinigen Plüschsessel, blickte auf ihre Armbanduhr, murmelte: „Noch zwanzig Minuten…“ und legte für einen Augenblick die Hand auf die Brust, als wolle sie ihr aufgeregt klopfendes Herz beruhigen. Dann drehte sie an dem Knopf ihres alten Radios, wartete, bis sich die Röhren erwärmt hatten, griff mit tastender Hand von hinten in das Gerät hinein und rüttelte sanft an der Lautsprecherröhre.
Mit Unterbrechungen zuerst, doch dann ganz gut verständlich sang ein Kinderchor: „… aus einer Wurzel zart…“ Ella Naujokat summte die Melodie mit, erhob sich aus dem Sessel, zündete die Kerzen an und löschte das elektrische Licht.